Rattenfänger-Buch auf Koreanisch, Sammlung Museum Hameln, Inv-Nr: 37383, Foto: Museum Hameln
Das Museum Hameln erhält neues Rattenfänger-Buch auf Koreanisch
Auch in Korea kennt man den Hamelner Rattenfänger – und zwar unter der Bezeichnung Piri bun-nun Sanai (Pfeifer) oder Iyi japnun Sanai (Rattenfänger). Dies berichtet der südkoreanische Medienwissenschaftler Dr. Junchul Lim. Ende Oktober weilte er wieder in Hameln, um gemeinsam mit der HMT sein Projekt Hameln 360 AR weiterzuentwickeln. Darin geht es um die Entwicklung einer App, durch die Hameln interaktiv und spielerisch entdeckt werden kann.
Während seines letzten Besuchs überreichte Junchul Lim dem Hamelner Museum ein Buch, das die Rattenfängersage auf Koreanisch erzählt. Da sich bisher nur ein einziges koreanisches Exemplar in der internationalen Literatursammlung des Museums befand, ist dies Grund genug, um kurz innezuhalten und über die Rezeption der Rattenfängersage in Korea zu reflektieren…
In dem Projekt Märchen Korea entwickelt Dr. Junchul Lim eine App, mit der man spielerisch Hameln erkunden kann.
Leider ist nicht allzu viel über die Verbreitung und Ausformung der Sage im koreanischen Sprachraum bekannt. In der Sammlung des Museums befinden sich samt Neuerwerbung nur zwei koreanische Rattenfänger-Bücher. Diese beinhalten die Sage in der englischsprachigen Tradition, die im Wesentlichen durch den britischen Dichter Robert Browning geprägt wurde.
Exkurs in die englische Rattenfänger-Tradition
Browning verfasste 1843 ein Gedicht zur Rattenfängersage, das dem kranken Jungen William McReady zur Erbauung gewidmet war. Von da an ging die Sage durch die Welt, aber mit einigen wesentlichen Unterschieden zur Grimm‘schen Version: Brownings Pied Piper trägt beispielsweise kein vielfarbiges Gewand, sondern ist komplett in Gelb und Rot gekleidet. Während bei den Grimms u.a. ein blindes und ein stummes Kind zurückbleiben, ist es bei Browning ein lahmer Junge. Außerdem verbirgt sich in der Browning’schen Version eine Art Wunder- oder Schlaraffenland im Inneren des Berges, während man in der deutschen Version nur erfährt, dass die Kinder nie wieder gesehen wurden.
Bereits am Buchcover lässt sich erkennen, dass es sich beim Neueingang um eine Übersetzung des beliebten englischen Gedichts von Robert Browning ins Koreanische handelt. In der englischen Version führt der buntbekleidete Pfeifer die Hämelschen Kinder in ein paradiesisches Land, das sich im Inneren des Berges befindet.
Auch wenn man nicht des Koreanischen mächtig ist, verraten die Buchillustrationen eindeutig einen Einfluss der englischen Rattenfänger-Tradition. So handelt es sich bei der Neuerwerbung, die Herr Dr. Lim aus Korea mitbrachte, um eine Neuauflage eines bekannten englischen Klassikers von 1888. Die darin enthaltenen Illustrationen stammen von Kate Greenaway und sind so beliebt, dass diese Prachtausgabe bis heute immer wieder aufgelegt wird – und das anscheinend nicht nur in Großbritannien und den USA!
Wie die Rattenfängersage ihren Weg nach Korea fand, ist nicht bekannt. „Vielleicht ist sie durch den Einfluss Japans nach Korea gekommen“, meint Herr Dr. Lim, betont aber auch, dass es sich dabei um reine Spekulation handelt. Da die Sage in Japan ebenfalls bekannt ist und Korea in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter japanischer Herrschaft stand, sei ein möglicher Einfluss denkbar. Verlässliche Studien fehlen allerdings.
BTS‘ Pied Piper
Abschließend sei noch eine zeitgenössische Adaption des Sagenstoffs durch die international bekannte südkoreanische Boyband BTS aka Bangtan Boys erwähnt. In einem 2017 veröffentlichten Pop-Song mit dem bezeichnenden Titel Pied Piper finden sich mehrere Anspielungen auf die Hamelner Sage. So heißt es beispielswiese im Refrain „Follow the sound of the pipe/ Follow this song/ It’s a little bit dangerous but I’m so sweet“. In Pied Piper nehmen die Teenie-Lieblinge die Wechselwirkung zwischen Band und Fangemeinde kritisch unter die Lupe. BTS positioniert sich hier selbst als „Pied Piper“, der dafür bekannt ist, Menschen in seinen Bann zu ziehen, anzulocken oder gar zu manipulieren. Weiterhin werden negative Züge obsessiven Fanverhaltens thematisiert, das mitunter destruktive Züge annehmen kann („Now stop watching and study/ Your parents and bosses hate me“). Die Rattenfängersage wird hiermit zum Sinnbild gegenseitig bedingter Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen dem Anführenden und den Folgenden.